Freier Zugang zu juristischen Informationen…

von Lisa Käde

… damit wirbt OpenLegalData.io auf der Projektwebsite, die gleichzeitig auch den Eindruck erweckt, eine Urteils- und Gesetzestextsuchmaschine zu sein. Das Projekt beschreibt sich und seine Ziele:

“OPENLEGALDATA.IO is a free and open platform that makes legal documents and information accessible to the public. Our goal is to enhance the transparency of the jurisdiction with the help of open data and by supporting people without legal education to understand the justice system. The project is committed to the Open Data Principles and the Free Access to Law Movement.”

Die Initiative, die von Freiwilligen ehrenamtlich betrieben wird, ging im Mai 2018 online und stellt inzwischen über 106.000 gesammelte deutsche Gerichtsentscheidungen aller Instanzen sowie über 57.000 Gesetzestexte zur Verfügung.

Mit im Programm: eine API, die es auch anderen Entwicklern bzw. Projekten ermöglicht, auf die gesammelten Daten zuzugreifen. Darüber hinaus steht der OpenLegalData-Code auf GitHub zur Verfügung, auf der Startseite des Projekts wird explizit zum Mitmachen aufgerufen.

Die Gründer beschreiben ihr Projekt aber weniger als Urteilssuchmaschine, sondern vielmehr als Datenplattform und politische Initiative, mit dem Ziel, die deutsche Rechtsprechung bzw. die daraus resultierenden Informationen transparenter und nicht nur für das juristische Fachpublikum zugänglich zu machen. Damit heben sie sich auch deutlich von der zeitlich früher entstandenen Plattform OpenJur ab, die zwar deutlich mehr Urteile vorhält, aber vor allem Juristen Informationen bereitstellt.

Ziel von Open Legal Data ist es deshalb aktuell nicht, möglichst viele Urteile zusammenzustellen. Die bisher gesammelten Urteile und Gesetze sollen vielmehr als Grundlage für statistische Aufbereitungen dienen. Die Initiative will insbesondere aufzeigen, was für Auswertungen möglich sind, was der Nutzen einer solchen Plattform sein kann, und weshalb es wichtig und vorteilhaft ist, möglichst viele Urteile zu veröffentlichen (vgl. dazu auch ReThinkingLaw 3/2019, S. 17 – 29).

Darüber hinaus wird die Datenbank über eine API auch anderen Start-Ups und Initiativen für die Realisierung eigener Projekte zur Verfügung gestellt (wie zuletzt etwa beim Hacking.Law-Hackathon im Februar 2019 in Berlin). Auch deshalb haben sich die Entwickler für eine Open Source-Lizenzierung entschieden: Der Source Code der Plattform ist unter der MIT-Lizenz veröffentlicht, die Datenbank steht unter der Open Database License (ODbL) v1.0, alle weiteren Inhalte sind nach Creative Commons 3.0 Attribution lizenziert.

Als politische Initiative kritisiert OpenLegalData die uneinheitliche Veröffentlichungspraxis von Gerichtsurteilen in Deutschland, setzt sich für die Veröffentlichung derselben ein und plädiert für einen Gesetzesvorschlag für eine Veröffentlichungspflicht von Urteilen (zum Thema der Veröffentlichungspraxis vgl. auch das Interview mit Bürgerrechtler Patrick Breyer, vlg. außerdem die Stellungnahme von OpenLegalData zu BGH 5 AR (Vs) 112/17 ). In einem Lightning Talk (Januar 2019) berichtet Saskia Ostendorff, Mitgründerin der Initiative, dass z.B. im Jahr 2017 nur 1,4 % der Urteile der in Deutschland erledigten Verfahren veröffentlicht wurden, wobei das noch nicht bedeute, dass diese dann auch frei zugänglich sind – die Veröffentlichung erfolge in der Regel in kostenpflichtigen kommerziellen Datenbanken.

Amtliche Werke – dazu zählen auch Gesetzestexte und Gerichtsurteile – genießen in Deutschland keinen urheberrechtlichen Schutz, vgl. § 5 I UrhG. Nicht vom Ausschluss in § 5 UrhG erfasst sind nicht-amtlich verfasste Leitsätze (wie sie etwa in juristischen Fachzeitschriften und –datenbanken zu finden sind). Einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Werken der Behörden des Bundes gewährt §§ 1, 6 IFG (Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes) seit 2006, eine entsprechende Regelung auf Landesebene ist noch nicht flächendeckend erfolgt (vgl. für einen Überblick BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal-Debus, § 1 Rn 59 ff).

Eine Veröffentlichungspflicht von Urteilen „an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit ein Interesse hat oder haben kann“ wird gemäß Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts von 1997 bisher abgeleitet aus „dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und auch aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung“ (BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1997, Az. 6 C 3.96, so auch BGH 5 AR (Vs) 112/17 Rn 14 m.w.N.).    

Die Gerichtsentscheidungen, die OpenLegalData veröffentlicht, sind nicht nur im Volltext zugänglich und durchsuchbar, sondern es wird zugleich seit Februar 2019 ein Verweisnetzwerk zur Verfügung gestellt, sodass auch innerhalb einer Entscheidung auf andere Dokumente gesprungen werden kann, die im Entscheidungstext zitiert werden.  Dieses Verweisnetzwerk enthält inzwischen über 444.000 Zitierungen.

OpenLegalData.io wurde durch den explizit auf Open Source-Projekte ausgerichteten Prototype Fund gefördert, der Fund ist ein Projekt der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., wiederum gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.

In Zeiten kommerzieller und damit insbesondere für Nichtjuristen nur schwer zugänglicher juristischer Datenbanken geht OpenLegalData einen wichtigen Schritt in Richtung des Sustainable Development Goal (SDG) Nummer 16 der UN: „Promote peaceful and inclusive societies for sustainable development, provide access to justice for all and build effective, accountable and inclusive institutions at all levels“. Umso erfreulicher ist es, dass die Plattform als Open Source-Projekt aufgestellt und damit der Grundstein für weitere Entwicklungen in die Richtung gelegt ist.